Herausforderung Fachkräftemangel
Die Fachkräfte-Lücke wird immer größer. Allein in NordrheinWestfalen fehlen nach Angaben der Industrie- und Handelskammer NRW derzeit bereits rund 350 000 Fach- und Arbeitskräfte – Tendenz weiter steigend. Dass der Fachkräftemangel das Land fest im Griff hat, bestätigten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des 1. GA-Forums Attraktive Arbeitgeber. Die Personalfachleute diskutierten in den Design Offices am Bonner Hauptbahnhof über die derzeitige Situation und schilderten, in welchen Bereichen sie derzeit nach neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen suchen.
Als kommunaler Konzern beschäftigen die Stadtwerke Bonn rund 2500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Geschäftsbereichen Energieversorgung, Netzbetrieb, Bus und Bahn sowie Müllverwertung. Natürlich gebe es noch die „typischen StadtwerkeKarrieren“ mit langen Betriebszugehörigkeiten, erläuterte Ralf Albrod, Fachbereichsleiter Personal/Service. „Jetzt ist aber auch eine andere Generation da, die wendiger ist und sich sagt: Ich guck mal, was es draußen noch so gibt.“
Das bestätigte Albrods Kollegin Brigitte Klein, Fachbereichsleiterin Personal- und Kulturentwicklung, und verwies auf den demografischen Wandel, der auch die Stadtwerke als sicheren kommunalen Arbeitgeber betrifft: „Es sind einfach weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt, und wir können uns die Leute eben nicht herbeizaubern.“ Heute hätten junge Nachwuchskräfte die Wahl, die Unternehmen müssten sich um sie bemühen. „Das hat sich ja in den letzten Jahren auch bei uns geändert. Darauf stellen wir uns ein.“
“Es sind einfach weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt, und wir können uns die Leute eben nicht herbeizaubern”Brigitte Klein, Stadtwerke Bonn
Auch Albrod sagte: „Es sind immer weniger Leute auf dem Markt.“ Der Fachkräftemangel sei schon längst da. Er nannte das Beispiel Bus und Bahn: „Unsere Fahrbelegschaft macht mit circa 800 Mitarbeitenden eine große Zahl aus, da ist es schon lange schwer, alle Stellen zu besetzen.“ Deshalb haben die Stadtwerke schon vor Jahren einen Schnuppertag installiert, an dem Interessierte zur Probe fahren und sich die Gegebenheiten an den Betriebshöfen anschauen konnten. „Das ist immer richtig gut angekommen, aber wir haben in diesem Jahr gemerkt, dass die Resonanz einfach nicht mehr so groß ist.“ Auch da werde man neue Wege gehen müssen, um Fahrer und Fahrerinnen zu gewinnen. Des Weiteren suchen die Stadtwerke regelmäßig unter anderem Rohrnetzmonteure oder Kraftwerksmaschinisten, Ingenieure und IT-Fachleute.
Auch die CONET-Firmengruppe sucht praktisch ständig nach IT-Spezialisten. Der in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Kroatien tätige Konzern beschäftigt rund 1700 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und bietet diverse Dienstleistungen rund um das Thema IT an. Sabine Cox, Director Human Resources, berichtete beim GA-Forum: „Wir bilden in allen IT-Ausbildungsberufen aus, die es am Markt gibt, haben aber auch kaufmännische Mitarbeitende.“ Zurzeit suche die Firmengruppe händeringend Fachkräfte. „Seit es Cyber-Angriffe gibt, die Unternehmen lahmlegen, sind die Märkte komplett leer gefegt.“ Das betreffe vor allem Systemintegratoren, die in Unternehmen für Rechenzentren verantwortlich sind. Ebenfalls rar seien Cyber-Security-Spezialisten, die die Daten eines Unternehmens in der Cloud sichern und die Cyber-Angriffe im virtuellen Raum bekämpfen sollen. „Dafür finden wir nicht genug Leute. Wenn man Glück hat, gewinnt man diese Spezialisten, indem man ihnen ein attraktives Umfeld bietet. Kaufen kann man sie schon fast nicht mehr, weil sie schlicht nicht da sind“, berichtete Cox. CONET biete ein ideales Umfeld mit spannenden Projekten, etwa bei Bundesbehörden. „Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was in kleineren Unternehmen los ist, die sich ja auch schützen müssen.“ Außerdem suche die Firmengruppe momentan Spezialisten für Software-Entwicklung sowie Zutritts- oder Kommunikationslösungen, also auch Ingenieure und Techniker.
Die PSD Bank West eG bekommt den Fachkräftemangel ebenfalls zu spüren. „Als Finanzdienstleistungsunternehmen sind wir ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt Vorstandsvorsitzender René Königshausen. Und: „Es wird immer schwieriger am Markt neue Mitarbeiter zu rekrutieren, gerade im Finanzdienstleistungsbereich.“ Die PSD Bank suche erfahrene Spezialisten, unter anderem für den Controlling-Bereich. Dabei gehe man unkonventionelle Wege: „Früher haben wir Stellenausschreibungen gemacht. Heute arbeiten wir mit Direkt-Recruiting und sprechen die Kandidaten gezielt an.“ Hilfreich seien dabei Empfehlungen eigener Mitarbeiter oder auch der Weg über Jobportale wie Xing oder LinkedIn. Dabei benötige die PSD Bank nicht nur Bankfachleute, so Königshausen: „Wir suchen auch Prozessmanager, die eine Kundenreise auf unserer Internetseite von A bis Z durchspielen und dazu den optimalen IT-Prozess orchestrieren.“
,,Heute arbeiten wir mit Direkt-Recruiting und sprechen die Kandidaten gezielt an”René Königshausen, PSD Bank West eG
Dass die Zahl und die Qualität der Bewerbungen seit einigen Jahren sinkt, spürt auch die Bonner Kanzlei Swiss Life Select, ein unabhängiges Finanzberatungsunternehmen. Geschäftsführer und Franchisenehmer Valentin Lehnert leitet am Standort Bonn ein Team von rund 30 Kolleginnen und Kollegen, die Privatleute und Unternehmen in allen Finanzfragen beraten. „Der Fachkräftemangel ist auch für uns eine riesige Herausforderung“, so Lehnert, der zurzeit Azubis für die Ausbildung zum Kaufmann für Versicherung und Finanzen sucht sowie Kandidaten für das Duale Studium der Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie oder Business Administration an der FOM Hochschule für Ökonomie & Management. Außerdem freut sich Swiss Life Select in Bonn über Bewerbungen von Spezialisten für Investments und betriebliche Altersvorsorge. „Wir rekrutieren unsere Zugänge häufig von Versicherungen und Banken“, so Lehnert. „Es könnten aber mehr Bewerbungen sein.“